Biotests zur Einstufung von Abfällen
Wie gefährlich können Abfälle für die Umwelt sein? Aufschluss darüber können so genannte "Biotests" bieten.
Gefährlicher und nicht gefährlicher Abfall
Abfälle fallen täglich an und müssen nach Herkunft oder abfallartentypischen Merkmalen einem der 842 Abfallschlüssel der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) zugeordnet werden. Es gibt in der AVV gefährliche und nicht gefährliche Abfallschlüssel bzw. sogenannte Spiegeleinträge, wie z. B. Baggergut oder Baustoffe auf Gipsbasis. So können Baustoffe auf Gipsbasis als gefährlicher Abfall eingestuft werden, wenn sie durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind. Über die Gefährlichkeit entscheidet die konkrete Schadstoffkonzentration. Für diese Einstufung muss der Abfall nach den 15 gefahrenrelevanten Eigenschaften (HP-Kriterien) der Abfallrahmenrichtlinie beurteilt werden. Sobald ein Gefahrenmerkmal zutrifft, ist der Abfall als gefährlich einzustufen.
Eines dieser Gefahrenmerkmale ist die Eigenschaft „ökotoxisch“ (HP 14), dessen Kriterien seit 2018 über die EU-Verordnung 2017/997 gültig sind. Es umfasst die Gefahrenhinweise „Ozonschicht schädigend“ und „akut und chronisch wassergefährdend“ mit entsprechenden Konzentrationsgrenzwerten. Für die terrestrische Umwelt (z. B. Boden) und andere umweltrelevante Schutzgüter (z. B. Grundwasser) sind keine Gefahrenhinweise formuliert. Da aber ein unsachgemäßer Umgang mit Abfällen auch Auswirkungen auf andere umweltrelevante Schutzgüter haben kann, muss in diesem Fall zur korrekten Einstufung auf nationale Vollzugshilfen zurückgegriffen werden.
Was sind Biotests?
In der EU-Verordnung 2017/997 wird auch darauf hingewiesen, dass für die Eigenschaft „ökotoxisch“ die Gefährlichkeit oder Nicht-Gefährlichkeit durch Biotests nachgewiesen werden kann. Seit der Einführung dieser Verordnung beschäftigen sich die zuständigen Behörden vermehrt mit den Biotests, da der Umgang mit und die Bewertung von Ergebnissen aus Biotests noch nicht vereinheitlicht sind.
Das Landesamt für Umwelt ist in der Länder-Arbeitsgruppe „Harmonisierung von Länderregelungen für den Vollzug der AVV“ vertreten, welche sich derzeit unter anderem mit der Bewertung der Ergebnisse von Biotests beschäftigt.
Biotests oder auch Ökotoxizitätstests sind Verfahren, mit denen hemmende oder fördernde Wirkungen von verschiedenen Stoffen auf Organismen unter definierten Bedingungen untersucht werden. Gibt es nicht genügend Informationen über den Abfall, hat eine chemische Analyse nicht ausreichend Aussagekraft oder möchte der Abfallbesitzer eine Nicht-Gefährlichkeit beweisen, dann können Biotests bei der Einstufung des Abfalls helfen. Während chemische Analysen die Wirkung von bioverfügbaren Stoffen oder mögliche Wechselwirkungen nicht abbilden, können Biotests eine mögliche Ökotoxizität anzeigen.
Es gibt aquatische und terrestrische Biotests. Das Umweltbundesamt empfiehlt bei einer Untersuchung von Abfällen mittels Biotests eine sogenannte Testbatterie. Diese umfasst drei aquatische und drei terrestrische Tests. Die Testbatterie soll für den Großteil der zu testenden Abfälle verwendet werden können sowie eine mögliche Gefährlichkeit für einen großen Teil der Nahrungskette darstellen. Sie umfasst deshalb Tests mit Organismen verschiedener Sensitivitäten und Trophiestufen, also verschiedene Positionen in der Nahrungskette (Primärproduzent: meist Pflanzen; Konsument: Pflanzen-, Fleischfresser; Destruenten: z. B. Pilze, Bakterien). Nach dem Europäischen Abfallverzeichnis sind Prüfmethoden mit Versuchen an Wirbeltieren nicht angemessen.
Schwierigkeiten bei Anwendung und Interpretation
Markante Biotests
Die Testabläufe sind in DIN-Normen fest vorgegeben. Bezüglich der Interpretation der Ergebnisse und der Bewertungsmethoden gibt es in Deutschland und der EU noch keine einheitliche Vorgehensweise. Es gibt eine Empfehlung des Umweltbundesamtes, dass der Abfall als gefährlich eingestuft werden muss, wenn die Organismen eines einzelnen Biotests eine Reaktion zeigen. Experten sind sich jedoch nicht einig, ob dies ein aussagekräftiges Ergebnis liefert.
Zudem können Biotests langwierig und kostenintensiv sein. Das sind vermutlich die Hauptgründe, warum bisher Abfallerzeuger den Nachweis mit Biotests oft vermeiden und eine Einstufung als gefährlichen Abfall in Kauf nehmen.
Die Frage ist, ob es eine allgemein gültige Anleitung zur Bewertung von Biotests geben kann, oder ob im Einzelfall die Ergebnisse beurteilt werden müssen. Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit die zuständigen Behörden sowie die Länder-Arbeitsgruppe „Harmonisierung von Länderregelungen für den Vollzug der AVV“.
Besonderheit von "absolut gefährlichen" Abfallschlüsseln
In begründeten Fällen kann die Behörde bei einem absolut gefährlichen Abfallschlüssel eine abweichende Einstufung vornehmen (§ 3 Abs. 3 AVV). Voraussetzung dafür ist, dass der Abfallbesitzer nachweist, dass der Abfall keine der in Anhang III der Abfallrahmenrichtlinie genannten Gefährlichkeitsmerkmale aufweist und nach anderen Verordnungen (z. B. die Verordnung über persistente organische Schadstoffe) nicht als gefährlich eingestuft wird. Eine Umstufung von einem nicht gefährlichen Abfallschlüssel zu einem gefährlichen Abfallschlüssel ist von der zuständigen Behörde auch möglich.
Zu einer Gefährlichkeit kann z. B. auch die Einstufung nach der POP-Verordnung des europäischen Parlamentes über persistente organische Schadstoffe (POP) führen. Dabei sind die „alten POP’s“, welche in der Anlage der AVV unter Ziffer 2.2.3 aufgeführt sind und Konzentrationen oberhalb der Konzentrationsgrenzen gemäß der EU-POP-V erreichen, als gefährlich einzustufen. Eine Einstufung als nicht gefährlicher Abfall durch Ergebnisse von Biotests ist in diesem Fall nicht möglich.
Ihre Ansprechpartnerin
Referat Betriebliches Stoffstrommanagement Sonderabfallwirtschaft
Sabine Zerle
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