Erster Handlungsleitfaden Saatkrähe Rheinland-Pfalz

Ein Beitrag zur Lösung eines Mensch-Tier-Konfliktes

Saatkrähe auf einer Wiese

Der im Auftrag des MKUEM von der Staatlichen Vogelschutzwarte im LfU erstellte Handlungsleitfaden Saatkrähe analysiert die Verbreitung der Saatkrähe in Rheinland-Pfalz, schlüsselt die für Siedlungsbereiche und die freie Landschaft spezifischen Konflikte mit Saatkrähen auf und beschreibt präventive und aktive Maßnahmenempfehlungen zur Lösung dieses Mensch-Tier-Konfliktes.

Die rheinland-pfälzische Brutpopulation der Saatkrähe ist im Verlauf der vergangenen Jahre kontinuierlich auf etwa 12.500 Brutpaare angewachsen, ebenso ist eine Zunahme der Brutkolonien zu verzeichnen. Einige Kolonien wachsen stetig an und erreichen bereits um oder über 1.000 Brutpaare. Infolge der Zunahme in den regionalen Verbreitungsschwerpunkten, zu denen die Westeifel/Trier, Raum Mainz, Rheinhessen und die Vorderpfalz, das Mittelrheinisches Becken sowie Westpfalz/Zweibrücken zählen, kommt es in einigen Teilen von Rheinland-Pfalz zu 

  • einer Konzentration von Beschwerden aus Landwirtschaft und Kommunen sowie 
  • Meldungen über Konflikte mit der Saatkrähe, die sich an die Naturschutzverwaltungen richten.

Kolonien entstehen vermehrt innerhalb und am Rand von Siedlungen und Städten. Infolgedessen können sich beispielsweise 

  • Anwohner während der Brutzeit der Vögel durch deren Rufe und durch Verkotung sowie durch herabfallendes Nestmaterial gestört fühlen. 

Städte und andere Siedlungsbereiche sind für Saatkrähen als Brutlebensraum hochattraktiv. Hier finden sie geeignete Brutbäume zur Nestanlage und Koloniebildung, Schutz vor illegaler Vergrämung und ein fast vollständiges Fehlen natürlicher Feinde (geringer Prädationsdruck) vor. 

In der freien Landschaft steigen seit Jahren die Meldungen über ernste landwirtschaftliche Schäden, die nachweislich von Saatkrähen-Trupps verursacht werden. Hierzu zählen Schäden 

  • im Erwerbsobstanbau, insbesondere in den Kirschanbauflächen im Mainzer Raum, durch Fraß und das Anpicken von Früchten, 
  • durch das Ausreißen verschiedener Kulturpflanzen im Obst-, Gemüse- und Feldbau (Erdbeeren, Gemüsepflanzen, Zuckerrüben, Wintergetreide usw.) im jungen Wachstumsstadium, sowie
  • im Frühjahr nach der Aussaat, insbesondere bei Mais.

Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Schäden auf Dauer für einzelne Betriebe mit erheblichen Ertragseinbußen einhergehen.

Der im Auftrag des MKUEM von der Staatlichen Vogelschutzwarte im LfU erstellte Handlungsleitfaden Saatkrähe analysiert die Verbreitung der Saatkrähe in Rheinland-Pfalz, schlüsselt die für Siedlungsbereiche und die freie Landschaft spezifischen Konflikte mit Saatkrähen auf und beschreibt präventive und aktive Maßnahmenempfehlungen zur Lösung dieses Mensch-Tier-Konfliktes.

Das Ergreifen wirksamer Präventivmaßnahmen wird als besonders wichtig erachtet, da diese den weiteren Zuwachs der Saatkrähen-Brutpopulation eindämmen können. Wichtigster Ansatz ist, 

  • den lokal nachweisbaren Zusammenhang zwischen ganzjährig hoher Nahrungsverfügbarkeit für Saatkrähen durch offen gelagerte Biomasse (z. B. Silage) und Ansiedlungen von Saatkrähen-Kolonien zu unterbinden. 
  • Dies bedeutet, dass aus naturschutzfachlicher Sicht eine wirksame Abdeckung von Biomasse-Lagern im Bereich der Erzeugung von Biogas und Verwendung von Futtermitteln unter Einbindung von landwirtschaftlichen und kommunale Betrieben erfolgen muss. 

In betroffenen Städten und Siedlungen sollte in der Nähe sensibler Bereichen (z. B. soziale Einrichtungen)

  • die Anpflanzung von bestimmten Baumarten wie der Platane und weiteren großkronigen Laubbäumen nicht weiter erfolgen,
  • bei bestehenden oder sich anbahnenden Konflikten, wie z. B. beim Nestbau, die Entfernung von Nestern vor Brutbeginn über eine artenschutzrechtliche Ausnahme (nach § 45 Abs. 7 BNatSchG) von der zuständigen Naturschutzbehörde auf Antrag im Einzelfall geprüft und genehmigt werden. 

Nach Ansicht der Staatlichen Vogelschutzwarte sollten 

  • die idealtypischen und in der Regel weniger konfliktarmen Brutkolonien in der freien Landschaft besser vor illegaler Vergrämung und Zerstörung geschützt werden, da 
  • dies vor der Verlagerung aufgelöster Brutkolonien vom Freiland in den besiedelten Bereich und vor einer damit einhergehenden Verstärkung dortiger Konflikte mit Anwohnerinnen und Anwohnern schützen kann.

Zur Abwendung erheblicher landwirtschaftlicher Schäden im Feldbau (Mais, Zuckerrüben) und in den Kirschanbau-Regionen wie beispielsweise im Mainzer Umland können 

  • räumlich und zeitlich befristete letale Vergrämungsabschüsse auf Einzelantrag erteilt werden. 

Gegen Fraßschäden auf Feldern helfen

  • eine mehrtägige Pause zwischen der Bodenbearbeitung (Einsaat-Vorbereitung) und der eigentlichen Einsaat,
  • eine Einsaat-Tiefe von mindestens 8 cm und 
  • die Entwicklung und Verwendung von gebeiztem Saatgut. 

Zur Abwendung von großflächigen und gemeindeübergreifenden Schadenssituationen im Erwerbsobstanbau (z. B. Süßkirschen) wird 

  • die Prüfung auf Erteilung einer Allgemeinverfügung zum Einsatz von Knallschutzgeräten zur akustischen Vergrämung von Saat- und Rabenkrähen durch die zuständigen Behörden empfohlen. 

Aus Sicht der Staatlichen Vogelschutzwarte sind jedoch auch noch mehrere Fragen unbeantwortet. Insbesondere ist auszuschließen, dass 

  • der Einsatz von Knallschussapparaten während der Brutzeit die Bruten störungsempfindlicher und nicht schadensrelevanter Vogelarten (z. B. Wiedehopf) 
  • und Vogel- und Naturschutzgebiete gefährdet.

Der erste Handlungsleitfaden Saatkrähe identifiziert Ursachen und Lösungsansätze für den Mensch-Tier-Konflikt „Saatkrähe“, wohlwissend, dass die im Siedlungsbereich zu verzeichnenden Konflikte (Lärm und Verkotung in unmittelbarer Nähe der Brutkolonien) nicht unvermeidbar sind und damit einhergehende Beschwerden von Anwohnerinnen und Anwohnern auch zukünftig nur begrenzt lösbar sein werden. Gleichfalls macht er deutlich, dass es zum Schutz und zur Erhöhung der Akzeptanz von „Konflikt-Vogelarten“ wie der Saatkrähe erforderlich sein kann, auch räumlich und zeitlich begrenzte Management-Maßnahmen umzusetzen. Hierzu gehören – beginnend mit milden und präventiven Maßnahmen – auch die letale oder die nicht-letale Vergrämung von Saatkrähen in gefährdeten landwirtschaftlichen Anbauflächen.

Der Handlungsleitfaden Saatkrähe zeigt auf, dass die Aufgabe des Naturschutzes im Umgang mit Mensch-Tier-Konflikten darin besteht, die Balance zwischen den gesetzlichen Anforderungen an den fachlich gebotenen Schutz einer geschützten, aber schadensverursachenden Vogelart, und räumlichen und wirtschaftlichen Interessen des Menschen auszuloten. Dies sollte gelingen, sofern der gute Erhaltungszustand der betroffenen Art trotz Ergreifens teils drastischer Maßnahmen sichergestellt wird und sich der Blick auf den Schutz der Natur mit und für den Menschen richtet.