Bachpatentage 2024 – Ideen und Impulse für Bachpatenschaften

Exkursion beim Bachpatentag Wierschem
Bei Exkursionen werden die theoretischen Inhalte praktisch erlebbar. Nachvollziehbar und deutlich wurde hier in Wierschem das Spannungsfeld zwischen Landwirtschaft und Naturschutz im Gespräch vor Ort mit einem lokalen Landwirt.

In Rheinland-Pfalz arbeiten derzeit etwa 720 ehrenamtliche Bachpatenschaften tatkräftig am Schutz und der ökologischen Verbesserung ihres Bachs und betreuen dabei rund 2.760 Kilometer Gewässer. Seit 2017 bietet das LfU engagierten Helferinnen und Helfer Bachpatentage an. Deren Ziel ist es, sich kennen zu lernen und auszutauschen, mit Expertinnen und Experten zu diskutieren und praktische Tipps und Anwendungen mit nach Hause an den Bach zu nehmen. Nach Fachvorträgen und Austausch am Vormittag führen Exkursionen nach dem Mittagsimbiss zum Patengewässer der ausrichtenden Bachpatenschaften. Die Fachreferentinnen und -referenten begleiten diese Ausflüge. Im Oktober 2024 fanden Bachpatentage in Wiesbach, Wierschem und Alzey statt.  

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Gruppenbild beim Bachpatentag
Gruppenbild vom Bachpatentag in Wierschem

Die Bedeutung von Auen und Feuchtwiesen für Artenvielfalt und Wasserrückhalt stand im Mittelpunkt des Bachpatentages am Samstag, 19. Oktober, im Bürgerhaus Wierschem. Beim zweiten von insgesamt drei Bachpatentagen 2024 wurden zudem Erkenntnisse aus der Gewässerpflege und die Auswirkung konkreter Maßnahmen auf die Wasserqualität besprochen. Das neue „EU Nature Restoration Law“, Unterhaltspflicht, Flächenankauf sowie die Notwendigkeit des Zusammenspiels von Landwirtschaft, Natur-und Hochwasserschutz waren weitere Themen. 

Eva Finsterbusch, Beauftragte für Bachpatenschaften im Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz, hieß die zahlreich erschienenen Gäste willkommen. Grußworte folgten von Landrat Dr. Alexander Saftig, dem 1. Beigeordneten Michael Büchel-Schwaab und dem Landtagsabgeordneten Torsten Welling im Namen der Stadt und der Verbandsgemeinde Maifeld. Alle betonten die große Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements und dessen positiven Einfluss auf Ökologie, Tourismus und das Gemeinwohl. Sie lobten und dankten für das Herzblut, das viele Ehrenamtliche vor Ort einbringen. Unter den Gästen fanden sich Bachpatinnen und Bachpaten, ehrenamtlich Aktive sowie Verwaltung und Naturschutzgruppen. 

Die Vortragsreihe am Vormittag startete mit Bild-und Tonaufnahmen der gastgebenden Bachpaten Martina und Gavin Grosvenor, die das große Artenspektrum der noch erhaltenen Feuchtfläche im Sevenicher Tal aufzeigten. Selbst eine kleine Aue wie die von Sevenich ist Heimat von nachweislich über 100 Arten, darunter auch zahlreiche Rote-Liste-Arten, wie die Barrenringelnatter.

Analyseergebnisse zur Wasserqualität

Die Bachpaten präsentierten mit Andreas Frey Analyseergebnisse zur Wasserqualität des Pilliger-und Wallerbachs aus den Jahren 2018 und 2024. Diese belegen, dass die Optimierung der örtlichen Kläranlage durch den Bau eines Rückhaltebeckens sowie die Herausnahme von Bachrandstreifen aus der Nutzung maßgeblich zu einer deutlichen Verbesserung der Wasserqualität beigetragen haben.  In seinem Fachvortrag unterstrich Dr. Schindler (ProLimno) die immense Bedeutung von Gewässerrandstreifen, Feuchtwiesen und Auen. Um (landwirtschaftlich) nutzbare Fläche zu erweitern, wurde und wird noch heute häufig Mutterboden aufgeschüttet oder durch Ausgraben des Bachbettes versucht, das Ausufern von Bächen einzuschränken. 

Vortrag Dr. Schindler zum Download: "Auen und Feuchtgebiete als hotspots der Artenvielfalt"

Dies ist jedoch langfristig keine Option. Zu wertvoll sind die positiven Aspekte, die Gewässerrandstreifen, Feuchtwiesen und Auen bereithalten. So zählen Feuchtwiesen zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa und binden mit bis zu 30 % mehr CO2 als alle anderen terrestrischen Ökosysteme. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem ihr Beitrag für das Klima wie auch für den Schutz vor Überschwemmungen und Flutkatastrophen.

Auen und Kleingewässer zeichnen sich durch ihre hohe Artenvielfalt aus. Etwa zwei Drittel aller Lebensgemeinschaften Europas kommen in Auen vor. Hier sind viele Arten der Roten Liste beheimatet, wobei die Amphibien und feuchteliebende Landtiere wie Schnecken hervorzuheben sind. Besondere Arten sind der Kammmolch, die Rotbauchunke, der Moorfrosch und viele weitere Arten wie wasserliebende Vögel. 

In den Ausführungen von Jutta Paulus, Mitglied des Europaparlaments, und ihren Einblicken in das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“, welches bedrohte Ökosysteme wie Moore, Wälder und Auen wieder in einen guten Zustand bringen soll, wurde deutlich, wie schwierig es auf europäischer Ebene ist, naturschutzfachliche Anliegen aus Deutschland zu transportieren. 

Gegensätzliche Zielvorgaben

Bereits auf lokaler Ebene wirken sich gegensätzliche Zielvorgaben zur landwirtschaftlichen Förderung und zum Gewässerschutz gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie (guter ökologischer Zustand) negativ aus. Denn die dringend benötigten Randstreifen für den Schutz der Gewässer lassen sich mit den derzeit bestehenden Regelungen kaum umsetzen. Umso wichtiger ist das Verständnis um die Zusammenhänge zwischen Landschaft, Gewässer und Grundwasser und die Maßnahmen engagierter Verwaltungen, Flächennutzer und Bürger vor Ort, um „ihren“ Bach zu schützen.

Abschließend führte eine Exkursion, geleitet von Martina und Gavin Grosvenor, zu Pilliger- und Wallerbach, lokalen Feuchtwiesen sowie der Ottilienquelle. Auf den angekauften Randstreifen hat sich der Lauf des Pilliger Baches bereits verändert und naturnahes Röhricht entwickelt.

Die Bachpaten haben ein Video zu dem Aktionstag auf YouTube veröffentlicht.
 

Bachpatentag in Wiesbach

Der Bachpatentag im Sportheim Wiesbach bildete am Samstag, 12. Oktober, den Auftakt zu insgesamt drei Veranstaltungen des Landesamt für Umwelt (LfU) Rheinland-Pfalz, jeweils an den Oktobersamstagen. Gastgeber war die Fischereiabteilung des SV Wiesbach. Die Veranstaltung befasste sich mit kleinen Gewässer und Oberläufen und fand überregionalen Anklang - bis in den Westerwald. 

Ortsbürgermeister Klaus Buchmann begrüßte die versammelten Gäste im Wiesbacher Sportheim. Landrätin Dr. Susanne Ganster kennzeichnete die Bachpatenschaften als ,Aufgabe, die allen zugutekommt’. Sie stellte die Situation der 13 Bachpatenschaften im Landkreis Südwestpfalz dar. Verbandsbürgermeister Björn Bernhardt lobte den großen Wert der ehrenamtlichen Arbeit und dankte den versammelten Bachpatenschaften für das große Engagement sowie dem SV Wiesbach und seiner Fischereiabteilung für die Ausrichtung des Bachpatentages. Eva-Maria Finsterbusch lud als zuständige Beauftragte für Bachpatenschaften im Landesamt für Umwelt ein zu Austausch, Bericht und Gespräch. 

Georg Wagner, seit 30 Jahren in der Fischereiabteilung des SV Wiesbach aktiv, davon seit zehn Jahren in ihrer Leitung, dankte den Anwesenden aus Politik und Verwaltung sowie seinem Verein für die umfassende Unterstützung. Er berichtete vom Übergang der anfänglichen Bewirtschaftung an Wiesbach und Auerbach zur Hege, Pflege und ganzheitlicher Gewässerentwicklung, von der Ehrung der Patenschaft im Rahmen des Jubiläums ‘30 Jahre Bachpatenschaften in Rheinland-Pfalz’ 2022 durch Umweltministerin Katrin Eder in Mainz. Er schilderte die besondere Arbeit am Quellgewässer und fasste die Aufgaben der Herstellung des guten ökologischen Zustands zusammen als ‘Jede Menge Arbeit – Jede Menge zu tun’. Es ginge seiner Abteilung darum, ‘die Leute wieder dazu zu bringen, wieder etwas zu tun’. Andreas Reischmann ergänzte die Notwendigkeit, ‘hinzugehen und sich am Bach von der Situation vor Ort ein Bild zu machen’.

Der Fachvortrag von Dr. Holger Schildner, ProLimno, zeigte die große Bedeutung der Oberläufe und Kleinen Gewässer in Rheinland-Pfalz, die 70% des heimischen Gewässersystems ausmachen. Sie sind wichtige Rückzugsräume bedrohter und seltener Arten wie des Feuersalamanders, sichern die Wiederbesiedlung der Gewässer nach Trockenzeiten, sind sehr kleinteilig und durch ihre rechtliche Stellung extrem bedroht und Nutzungskonflikten unterworfen. Sie zu sichern, sei eine der Hauptaufgaben der kommenden Zeit. Gemeinsame Projekte von ARD und SWR zur Kartierung und Beobachtung schaffen hier zusätzliche Daten und öffentliches Bewusstsein in der breiteren Öffentlichkeit. 

Vortrag Dr. Schindler zum Download: “Die Bedeutung von Oberläufen und kleinen Gewässern für Rückhalt und Biodiversität”

Eva-Maria Finsterbusch berichtete über die Notwendigkeit, Gewässer gegenüber den Folgen des Klimawandels zu stärken. Beschattende Gehölze am Ufer seien absolut notwendig um der Aufheizung entgegen zu wirken. Gerade die Dürren der vergangenen Jahre haben den Landschaftswasserhaushalt aus dem Gleichgewicht gebracht. Die rückläufige Grundwasserneubildung kann vor allem mit mehr flächendeckender Regenwasserversickerung gestoppt werden. Auch zu tief ins Gelände eingeschnittene Gewässer entziehen das Grundwasser. Starkregen würde zwar in die Wasserbilanzen mit eingehen, die Wassermengen seien aber für die Grundwasserneubildung kaum nutzbar, weil es – gerade auf ausgetrockneten Böden – nicht in den Boden einsickern kann.

Vortrag Eva Finsterbusch: “Handlungsansätze gegen Klimawandelfolgen”

Die anschließende Diskussion drehte sich um die Problematik der Förderkulissen, das Spannungsfeld von gutem ökologischen Zustand, nachhaltiger Gewässerentwicklung, Kenntnisständen und technischen Gegebenheiten des Hochwasserschutzes. Sie differenzierte die unterschiedlichen Gegebenheiten von offener Landschaft und Ortslagen und zeigte den anhaltenden Bedarf nach Abstimmung der Akteure, Information und Aufklärung der Öffentlichkeit und fachlich orientierter politischer Diskussion. 

Die Exkursion an den Wiesbach verdeutlichte, wie große Buntsandstein-Findlinge aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Wiesbacher als Strömungslenker in den Bach eingebracht werden. Andreas Reischmann vom Umwelt- und Servicebetrieb Zweibrücken (UBZ) hatte die Exkursion vorbereitet. Wiesbach und Auerbach, seit 1980 stark verändert, haben große Potenziale der Aufwertung. Strömungslenker und Totholz tragen an den Oberläufen in der freien Landschaft aktiv sowohl zur nachhaltigen Gewässerentwicklung von Sohle, Struktur, und beschattendem Busch und Baumbestand als auch zum aktiven Hochwasserschutz in den Ortslagen bei. Eine erneute Diskussion zu Ideen und Kooperationen beschloss den Tag. 

 

Biberteich an der Selz
Der Biberteich um die gut sichtbare Biberburg ist nicht nur ein Paradies für Wasservögel, sondern auch für Erholungssuchende geworden.

Landrat Heiko Sippel begrüßte für den Landkreis Alzey-Worms die über 40 Teilnehmenden  in der Stadthalle in Alzey und gab einen Überblick über die Besonderheiten im Kreis sowie den bisherigen Verlauf der Selz-Renaturierung. Bachpate Wolfgang Hähnel schilderte die Situation an dem von ihm betreuten Selzabschnitt in der Gemeinde Schafhausen, an dem der Biber zu Hause ist. Er berichtete von seinen Erfahrungen und der Zusammenarbeit mit dem Selzverband, dem hier die Gewässerunterhaltung obliegt. Die von Hähnel gemachten Filmaufnahmen des in der Biberburg wohnenden Bibernachwuchs zeigten wenig bekannte Einblicke in die nachtaktive Welt der Biber - die angestammten heimischen Bewohner von Gewässersystemen.

Positive Auswirkungen auf Grundwasserhaushalt

Dr. Lutz Dalbeck von der Biologischen Station Düren in Nordrhein-Westfalen berichtete in seinem Fachvortrag von den Erfahrungen mit der Biber-Population im Hürtgenwald. Dieser Landschaftsbereich bietet bereits seit 40 Jahren eine geschützte Fläche zur Forschung an Biberpopulationen. Dr. Dalbeck zeigte die positive Auswirkungen von Bibern an Gewässern auf den Grundwasserhaushalt. Biber stauen nicht nur, sondern sie regeln bei Hochwasserspitzen den Wasserstand in ihrem Teich, indem sie zielgerichtet Hölzer ziehen und Wasser auch ablassen. Biberteiche mildern also Hochwasserspitzen, bieten andererseits in Trockenzeiten Lebensraum für Fische. Sie gewährleisten einen Niedrigwasserabfluss, wobei sie das Wasser kühlen. In vom Biber geprägten Gewässersystemen steigt die Artenvielfalt von Amphibien und Insekten, darunter seltenen Libellenarten, signifikant an. Eine optimale Wirkung zeigen Gewässer mit mehreren Biberrevieren von unterschiedlichem Alter und Entwicklungsgrad. Reviere, die verlassen werden, entwickeln sich zu naturschutzfachlich sehr hochwertigen Feuchtgebieten.

Ein besondere Rolle kommt den Fächen an Gewässern, den so genannten Gewässerrandstreifen zu. Diese würden dringend für eine ökologische Gewässerentwicklung benötigt. Sind diese vorhanden, entstehen durch den Biber bedeutend weniger Konflikte mit den Flächennutzern, wie Stefanie Venske vom Biberzentrum Rheinland-Pfalz betonte. 

Vortrag über den Biber von Dr. Dalbeck zum Download

Der Gau-Odernheimer Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Heiner Illing schilderte die ständigen Abwägungsprozesse zwischen Landwirtschaft, Forsten und Gewässerentwicklung wobei er auf die historische und ökologische Bedeutung der Auenwälder an der Selz hinwies.

Bedeutung der Ufergehölze

Eva-Maria Finsterbusch vom Landesamt für Umwelt erläuterte in ihrem Fachvortrag die herausragende Rolle der Ufergehölze. Deren Beschattungswirkung sei absolut notwendig, um die Wassertemperatur von Gewässern so zu senken, dass Gewässerlebewesen auch in Zeiten des Klimawandels überleben könnten. Gehölze wirken zudem bremsend auf den Wasserabfluss und halten bei Hochwasser und Starkregen nicht nur Wasser sondern auch Schwemmgut zurück. Ufergehölze zu belassen oder neu zu pflanzen sei damit eine wichtige Klimaanpassungsstrategie.

Vortrag Finsterbusch zum Download: “Faktencheck Ufergehölze und Totholz”

Die Exkursion an den Biberteich zeigte, wie sich eine Gewässerlandschaft in relativ kurzer Zeit naturnah verändert. Viele Wasservögel finden auf der Feuchtfläche wieder Lebensraum. Der Bereich wird für die Naherholung gut genutzt.