Wegen des Niedrigwasser traten große Schotterbänke zutage.
Bei Bingen war 2018 der Mäuseturm fußläufig erreichbar.

Klimaänderung und Wasserwirtschaft: Das KLIWA-Projekt

Mit dem KLIWA-Ensemble bereit für neue Wasserhaushaltsmodellierungen bis zum Ende des Jahrhunderts

Die Klimaerwärmung hat auch auf Rheinland-Pfalz deutliche Auswirkungen. Der bereits festgestellte Temperaturanstieg von 1,6 °C im Jahresmittel für Rheinland-Pfalz seit Beginn regelmäßiger Wetteraufzeichnungen (1881) führt im 21. Jahrhundert zu vielen Wärmerekorden und Phasen ausgeprägter Trockenheit, insbesondere in den letzten Jahren. Es ist zu befürchten, dass die bodennahe Lufttemperatur bis 2050 noch einmal so stark ansteigen wird, wie bisher.

Zunahme von Hochwassern

Die Auswirkungen werden für uns von Jahr zu Jahr spürbarer. So wird der projizierte Anstieg der Winterniederschläge in der Zukunft bis zur Mitte des Jahrhunderts zu höheren Hochwasserabflüssen und einer Zunahme von Hochwassern führen. Um die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserwirtschaft bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu erkennen und bereits jetzt Handlungsempfehlungen zur Anpassung entwickeln zu können, ist es erforderlich, die verfügbaren Projektionen zu sammeln, zu bewerten und anzuwenden. Dies geschieht für den Bereich der Wasserwirtschaft im Vorhaben KLIWA.

Das Kooperationsvorhaben „Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“ (KLIWA) der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz sowie dem Deutschen Wetterdienst besteht seit 1999 und untersucht damit seit 20 Jahren die Einflüsse der Klimaänderung. Dies geschieht insbesondere in den Themengebieten des Oberflächenabflusses (beispielsweise Hoch- und Niedrigwasser), dem Grundwasser, der Gewässerökologie für Fließgewässer und Seen, der Bodenerosion und des Starkregens. Für den Blick in die Zukunft werden in KLIWA Klimaprojektionen angewendet. Im Jahr 2019 wurde das KLIWA-Projektionsensemble zusammengestellt, das aus zwölf regionalen Klimaprojektionen besteht. Das KLIWA-Ensemble basiert auf vergleichbaren Vorarbeiten des Deutschen Wetterdienstes zur Erstellung eines Referenz- und Kern-Ensembles (2018).

Vom Emissionsszenario hin zur Wirkmodellierung

Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) gibt die zukünftige Entwicklung in Emissionsszenarien mit unterschiedlichen möglichen Entwicklungsfaden wieder (Abb. 1) und veröffentlicht diese mit ihren Sachstandsberichten. Abgebildet sind dort die möglichen Pfade des zusätzlichen Strahlungsantriebs der letzten beiden veröffentlichten Sachstandsberichte Nr. 4 von 2007 und Nr. 5 von 2014. Für den fünften Sachstandsbericht wurden vier Emissionsszenarien erstellt, darunter ein Klimaschutzszenario (RCP2.6), welches den globalen Temperaturanstieg auf unter 2 °C gewährleistet sowie ein Hochemissionsszenario (RCP8.5), in dem es keinen wirksamen globalen Klimaschutz gibt. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, unterschiedliche Annahmen zur zukünftigen globalen Entwicklung zu treffen, da die genauen demografischen und ökonomischen Entwicklungen in der Zukunft nicht bekannt sind. Klar ist jedoch, dass die heute getroffenen Entscheidungen erst in Jahrzehnten Effekte zeigen werden. So verläuft die Entwicklung in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts in allen Emissionsszenarien noch weitgehend ähnlich, ehe sich in der zweiten Hälfte deutlich unterschiedliche Entwicklungen ergeben.

Die Emissionsszenarien zeigen jedoch nur die möglichen Wege auf. Um aus diesen Annahmen Aussagen für die Wasserwirtschaft zu generieren, bedarf es einer Umsetzung in Modelldaten. In einem ersten Schritt werden globale Klimamodelle (Globalmodell) verwendet, welche die gesamte Erde in ein vergleichsweise grobes vertikales Raster einteilen. In einem Globalmodell werden atmosphärische Vorgänge abgebildet. Dies sind vor allem Eigenschaften von Land- und Ozeanflächen, großen Eisflächen und Biosphäre sowie von anthropogenen Einflüssen. Da die Beschreibung der physikalischen und chemischen Prozesse in verschiedenen atmosphärischen Schichten nicht nur sehr komplex und ressourcenintensiv ist, sondern auch in groben Kacheln mit einer Rasterweite von ca. 100 km vorliegen, sind globale Klimamodelle ungeeignet, um regionalen Gegebenheiten wie Naturräume und Mesoklimata zu simulieren. Dies gelingt besser mit der Verwendung eines deutlich feiner aufgelösten regionalen Klimamodells, welches durch das globale Klimamodell angetrieben wird.

Bei der Aufstellung von regionalen Klimamodellen gibt es zwei Herangehensweisen. So kann ein regionales Klimamodell anhand statistischer Ableitung von Klimastationen oder dynamisch anhand der physikalisch berechneten Wirkzusammenhänge erstellt werden. Dynamische regionale Klimamodelle werden in der Wirkmodellierung von Rheinland-Pfalz in der Regel beim Oberflächenabfluss eingesetzt, statistische Modelle werden für das Grundwasser verwendet.

Für den letzten Baustein der Abflussprojektion werden Wirkmodelle, wie Wasserhaushaltsmodelle, benötigt. Derartige Wasserhaushaltsmodelle bestehen aus einem hochaufgelösten Höhenmodell, Informationen zur Landnutzung, versiegelten Flächen und Siedlungen, den Bodeneigenschaften und dem Flussnetz mit seinem bisherigen Abflussverhalten. Durch sie ist die Modellkette (Abb. 2) vom Emissionsszenario hin zur Wirkmodellierung vollständig. Doch dieser Weg ist aufwendig und zeitintensiv.

Auswahl des KLIWA-Ensembles

Die Durchführung globaler und regionaler Klimamodellrechnungen erfolgt in der Regel mit Großrechnern, da diese Simulationen sehr viel Rechenkapazität und Speicherplatz benötigen. Selbst mit der Verwendung von Großrechnern vergehen für die Erstellung von Klimamodellläufen bis zu mehreren Monaten. Durch die Vielzahl an globalen und einer ebenfalls großen Anzahl von regionalen Klimamodellen ergeben sich so viele Kombinationsmöglichkeiten, dass die Auswahl von geeigneten Projektionen nicht nur unübersichtlich, sondern auch äußerst komplex ist. Sowohl beim Deutschen Wetterdienst wie auch bei KLIWA wurden daher Überlegungen zur sinnvollen Reduktion von sehr vielen Projektionen hin zu einem kleinen, handhabbareren Ensemble angestellt. Das Ziel der Reduktion ist es, mit möglichst wenigen Projektionen einen Großteil der Gesamtheit in Bandbreite und Aussage wiedergeben zu können.

Um hierfür geeignete Projektionen zu identifizieren, wurde das in Bayern entwickelte Klimaaudit angewendet, ein Bewertungsverfahren, um Projektionen mit einander vergleichen zu können. Hierbei wurde auch darauf geachtet, dass Projektionen für das hydrologische Deutschland vorliegen, die auch die ausländischen Anteile von Einzugsgebieten berücksichtigen. Im Ergebnis dieser Prüfung haben sich neun dynamische und zwei statistische Klimamodelle als geeignet herausgestellt, welche seit 2019 das das KLIWA-Ensemble bilden (Tab. 1). Alle Projektionen basieren dabei auf dem Hochemissionsszenario RCP8.5 (vgl. Abb. 1).

Zur Verwendung des KLIWA-Ensembles in einer Wirkmodellierung werden die Klimamodelle zunächst einem weiteren Bearbeitungsschritt unterzogen. So muss für dynamische regionale Klimamodelle in der Regel eine Bias-Adjustierung durchgeführt werden. Der Bias ist eine systematische geringe Abweichung von Modellen gegenüber vergleichbaren Beobachtungen. Diese Abweichung ist in jedem Modell und für jeden Klimaparameter unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Bias-Adjustierung wird in KLIWA derzeit für die Parameter Lufttemperatur, Niederschlag, relative Luftfeuchte und Globalstrahlung durchführt.

Ausblick

Mit dem KLIWA-Ensemble wird Rheinland-Pfalz ab 2020 neue flächendeckende Wasserhaushaltssimulationen durchführen. Der bisher in Wasserhaushaltsmodellierungen verwendete Zukunftshorizont bis 2050 wird dabei nun bis 2100 ausgeweitet, um für unterschiedliche Zeithorizonte des 21. Jahrhunderts Aussagen liefern zu können. Dabei werden nachfolgende drei Zeithorizonte betrachtet:

  • 2021 bis 2050: Nahe Zukunft
  • 2041 bis 2070: Mittlere Zukunft
  • 2071 bis 2100: Ferne Zukunft

Die ab 2021 erwarteten Ergebnisse stellen nicht den definitiven Verlauf in den jeweiligen Zeithorizonten dar, sondern sind als eine Abschätzung nach derzeitigem Kenntnisstand zu betrachten. Diese Abschätzung kann nur in Form einer Bandbreite erfolgen. Das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz wird auch in Zukunft in enger Zusammenarbeit mit den Landesbehörden anderer Bundesländer im Austausch über aktuelle Abflussprojektionen und deren Auswirkungen stehen und über weitere Erkenntnisse informieren.

Die Grafik zeigt mögliche Entwicklungen der Emissionsbelastung
Abb.1: Emissionsszenarien des 4. und des 5. Sachstandsberichts der Weltklimarats IPCC (verändert nach Bay. LfU)
Die Grafik zeigt die Arbeitsschritte hin zu Wasserhaushaltsmodellen
Abb.2: Modellkette vom Emissionsszenario zur Wasserhaushaltsmodellierung.
Die Tabelle vergleicht verschiedene Modelle
Tab. 1: Projektionen des KLIWA-Ensembles aus der Kombination von globalen und regionalen Klimamodellen, dem verwendeten Emissionsszenario und dem Modelltyp.